Freitag, 20. Mai 2016

Die Kunst ist zurück! | Die Hamburger Kunsthalle

i´ll be back

"Die Kunst ist zurück!" - so Titel und Slogan der komplett neu konzipierten Schau der Kunsthalle Hamburg nach umfangreichen und langwierigen Umbau- und Modernisierungsarbeiten. Zurück, soso. Für den Autor dieser Zeilen, der gerne mit seiner Banausenhaftigkeit kokettierend, klingt das eher nach Drohung denn einem verheißungsvollen Ausflug. Kunsthalle. Achja?! Das ist in meinem vorurteilsbehafteten Kopf genau das, was ich an Kunst hasse, was ich mit bourgoisem Zurschaustellen verbinde und dem ich mich wenn nicht durch längst vergangene Familienverpflichtungen genötigt, so fern wie möglich halte.

Aber wie dem auch sei - der Job als Autor eines aufstrebenden Kulturblogs erfordert Opfer, und wer weiß - vielleicht tue ich der ganzen Veranstaltung ja auch komplett unrecht? Außerdem ist der Eintritt im Eröffnungsmonat Mai frei! Und "umsonst" kann ja nur gut sein - da kommt der Punker raus.

Da Low und der Rest der Bande arbeiten müssen (pah, arbeiten!) schnappe ich mir meinen Aushilfskulturattachee T. und finde mich an einem sonnigen Mittwoch Nachmittag vor der zentral zwischen Hbf und Alster gelegenen Kunsthalle ein. Ein imposantes Gebäude, markanter Kuppelbau und mit Statuen versehene Fassade. Herschaftlich möchte ich meinen.

schön auch mein fetter Finger vor der Linse
Mein Herz lacht als ich das ebenso frische wie hässliche Handtattoo des in einen schlechtsitzenden Anzug gesteckten und massiv gelangweilten Türstehers sehe. So kann es doch anfangen. Kontrast und Ironie, das ist was ich will! Gut auch, dass wir den Ausflug nicht 1870 gemacht haben, sonst hätte er hier schon sein Ende gefunden:
"anständig gekleidet"

Machen wir es kurz: der erste Teil der Ausstellung erfüllt meine Klischees und Befürchtungen zu 100%. Streng nach Zeitverlauf sind mehr oder weniger schöne Schinken an die Wände gepappt, beginnend bei "Alten Meistern" und Altar-/und Sakralkunst über Renaissance und Romantik bis zur Moderne. Natürlich gefallen da einige Bilder, einiges ist wahlweise interessant oder imposant und natürlich muss ich nicht alles hier gut finden oder gar verstehen - aber die Art und Weise der Präsentation macht mich schon sauer. Interessanter als die ausgestellten Werke ist die Architektur, ich verbringe mehr Zeit mit der Betrachtung der verschiedenen Räume und ihrer Gestaltung als den Inhalten. 


Highlights sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Daher eine kleine Auswahl der nennenswertesten Exponate.



"Gewalt: JA! Genitalien: NEIN!" ist keine Doktrin des US-TV, sondern klare Ansage bei der Kunst für die Massen des Sonntagsspaßes Nr.1 im 14. Jahrhundert: dem Kirchenbesuch.

Zwischendrin ein kleiner schwuler Engel, da kommt Freude auf!


Oh, Hitler auf dem Obersalzberg.

Je moderner es wird, desto mehr Interesse habe ich an den Werken, das liegt eindeutig an meinem Wunsch nach (politischer) Aussage und Intention. Am Konzept des Durchhetzens durch die Epochen und dem Habitus des "schautwaswiralleshaben" der Austellung ändert das nichts. Das mag schon aus der Anlage als "Kunsthalle" geschuldet sein, keine Ahnung. Fragt mich nicht. Soll das so sein? Wer findet sowas denn gut?! WER?!

Er vielleicht? Wobei, so richtig sieht er nicht danach aus.




Ich denke an Marx (wie immer wenn ich zweifle) und erinnere mich an seinen Ausspruch:

"Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet."

"Mehr Hämmer" murmel ich leise, "mehr Hämmer!" Wobei, an dem Genossen hier und seinem Equipment hätte bestimmt auch Kalle Freude gehabt.




Aber ich schweife ab. Und schreibe einen Hilferuf an Low, der seinen "Ichhabsgewusst-Tanz" im Büro aufführt:




 Mein Gesichtsausdruck muss dem der in Öl verewigten Hipsterbande gleichen:



Der erste Teil des Ausflugs im historischen Teil der Kunsthalle liegt fast hinter uns als T. und ich ein erstes Highlight endecken. Bartkunst. Starke Sache. Selfie ist Pflicht.
 




Der Vorteil der Tatsache dass wir alles kacke finden ist, dass es nur besser werden kann. Und tatsächlich finden wir kurz vor dem Übergang zum neugebauten Teil mit zeitgenössischen Künstlern einen Raum der mich ehrlich begeistert: Das Kupferstichkabinett. Bibliotheks-Porn vom Feinsten, incl. Büchergeruch, grünen Linoleumtischen, strengen Bibliothekarinnen und Karteikästen. Jaaaaa, ihr Bachelors der Kulturwissenschaften und SozialpädagogigstudentInnen - SO ging das früher, als Low und ich noch jung waren und ORDENTLICHE Sachen studiert haben. 






Die Begeisterung hält nur kurz, durch einen unterirdischen Gang geht es zu besagtem Neubau, an den Toiletten vorbei (architektonische Meisterleistung, oder ist der Gestank Teil des Konzepts?) führt uns ein neonbeschriftetes Laufband. Sauer. Es macht mich sauer. Neonlaufschrift? Ernsthaft? Das ist doch nicht euer Ernst oder soll das irgendwie modern, hip, jugendlich-künstlerisch wirken? Ich gucke böse einen der unzähligen Securities an, der immerhin ebenso wenig begeistert scheint wie ich.




Ein Jauchzen von T. reißt mich aus meiner Letargie: Geil, ne Hassisammlung. Hab ich zuhause auch, die Kunst und ich, wir nähern uns an.



Das Nicht-Konzept zieht sich aber auch durch den zeitgenössischen Teil, ich habe mich dran gewöhnt, dass mich hier nichts mehr begeistern wird. Ausnahmen bestätigen die Regel, mit dem Namen KP Brehmer werde ich mich nochmal beschäftigen. "Kapitalistischer Realismus" das finde ich witzig. Quasi Pop-Art in Böse. Und dann ist da auch noch Politik im Spiel. Ich bin leicht zu durchschauen und er weiß wie er mich kriegt.



Im Obergeschoss des architektonisch wieder sehr reizvollen Gebäudes (lichtschachtartiger Innehof, nach außen verglaste Austellungsetagen) dann der Beweis, dass die MacherInnen doch wissen, wie es geht: Die Austellung widmet sich einer einzelnen Künstlerin (Geta Bratescu) und zeigt ihr Werk, so aufbereitet, dass es auch für einen Banausen mit Verweigerungshaltung interessant und inhaltlich wie stilistisch nachvollziehbar ist. Für mich klar das Highlight des Tages. Ästhetisches Gefallen ist dann auch mir nicht mehr wichtig.




Fazit:
Scheiß Kunst, Ich will JETZT ein Dosenbier und 80er-HC hören. Für Kunsttrottel sicher gaaanz toll, zum Angeben mit dem was man hat bestimmt in jedem Reiseführer zu finden. Ein echtes Highlight der Hochkultur eben.

Angenehm fällt der hohe Schnitt der "Normalos" auf, was sicher dem freien Eintritt geschuldet ist. Eine Kleingruppe proletarischer Omis, die sich kaputt lacht ob der Absurdität des Gezeigten erfreut mein Herz. Für Umme kann man das mal machen, oder wenn die bucklige Verwandschaft nach bürgerlicher Bespaßung schreit. Allen anderen rate ich ab.

Zum Abschluss nur noch berühmte letzte Worte von Papst Adorno I.:
"Aufgabe von Kunst heute ist es, Chaos in die Ordnung zu bringen.‘‘

Hier ist Nirgendwo Chaos. Aufgabe verfehlt, ihr Ketzer. Wann fahren wir wieder ins Spaßbad?
 

Unterhaltungsfaktor: 3 von 10 (ich hatte irgendwie Spaß, aber das lag mehr an unserer gehässigen Grundeinstellung. Außerdem mag ich es wenn Vorurteile bestätigt werden.)
Kategorie: High Culture (so high, dat raffste nie!)
Eintritt: regulär 6 (ermäßigt, Wochentags) bis 14 (normal, Wochenende) €, im Eröffnungsmonat frei.
Infos: http://www.hamburger-kunsthalle.de/

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