Montag, 21. März 2016

„Es ist geiler, wenn man schreit“ | Spaszbad 2.0 – Das Miramar in Weinheim



Wie der Genosse schon ausführlich berichtete, macht der Asozialenausflug a.k.a. Punkrockbands on Tour nicht nur am lokalen AZ halt. Ich höre noch Lows zarte Stimme in meinem Ohr dröhnen: „VERGISS AUF KEINEN FALL DIE BADEHOSE!“ Wie könnte ich ihm widersprechen? Das hautenge und leider schon etwas in die Jahre gekommene, schwarz-rot-gestreifte Badebekleidungsstück liegt ganz oben im Rucksack.

Die Gruppe der Spaßverweigerer unseres kleinen Ausflugs wächst, so dass wir schließlich an diesem diesigen und alles andere als zu Stadtrundgängen einladenden Tag zu dritt aufbrechen (allein schon Mannheim. Ich kenn nur deren Söhne, und denen begegne ich lieber nachts in einer Gasse als des Tages, wo alle meiner Bestrafung zusehen können). Über Sträßchen und Gässchen, vorbei an Apfeldistillen ins benachbarte Weinheim. Schlau wie ich bin hatte ich am Vorabend in Mainz schon mal vorgehorcht, wo es denn ein adäquates Bespaßungsprogramm für anspruchsvolle Badgäste gibt und das schwer betrunkene Studentenmädchen zögerte keine Sekunde: Miramar! Der Zwerg mit der Mütze (checkt seine Band aus!) bleibt im Auto und schläft auf dem Parkplatz seine Erkrankung weg. Low und ich entern die Arena.

Kurz zu den Fakten: Es gibt Therme, Saunalandschaft und Erlebnisbad zu jeweils unterschiedlichen Konditionen. Wir haben keine Zeit, wir brauchen maximalen Spaß, also buchen wir 4 Stunden Erlebnis und zahlen 14,50 pro Nase. Billig ist anders aber Oper ist teurer. Und da ist man nicht halbnackt. Das Bad ist gepflegt und doch etwas abgefuckt (Pluspunkt), bietet ein größeres Wellenbad, mehrere kleinere Planschbecken mit dem üblichen Wasserstrahlvonüberall-Programm und Whirlpools. Außerdem ist es an diesem Dienstag Nachmittag angenehm leer. Grund unseres Ausflugs und einer nicht zu leugnenden, etwas infantilen Vorfreude unsererseits ist allerdings sein recht neues Herzstück, ein Rutschenturm mit verschiedenen Möglichkeiten des Gleitens und Fallens. 

Beim Betreten des Nassbereichs wird eine gewisse Ironie unseres Auftritts deutlich. Während Low schwiegermuttergleich grinsend, annähernd trainiert, Reinhäuter und mit gepflegter Badeshorts gekleidet sofort everybodys darling ist, weicht mir (tätowiert, ansetzender Bierbauch, viel zu enge Speedo) der Bademeister nicht mehr von der Seite. Seine Blicke sagen mir, dass er mich verachtet und er es niemals zulassen wird, dass ich sein Bad verunreinige oder meine nicht zu leugnenden Vandalismussehnsüchte in seinen heiligen Hallen auslassen werde. Sofort bereue ich, dass unsere Gruppe nicht größer ist und dass man nackt so schlecht Dosenbier schmuggeln kann. Belustigend (für Umstehende) bzw. Erschwerend (für mich) kommt hinzu, dass ich NATÜRLICH meine Kontaktlinsen vergessen habe und erneut blind wie ein Maulwurf an Lows Hand durchs Bad stapfe.

Aber wir sind ja nicht zum Gut aussehen hier sondern für den Spaß. Also möge er beginnen. Als erstes testen wir die auf dem Weg gelegene Krokodil-Rutsche aus. Wie der Name schon vermuten lässt, eher was für Kinder. Also eigentlich nur was für Kinder. Warum wird bei der ersten S-Kurve klar, die für 20-KG-Menschen sicher nicht mehr als ein laues Schaukeln bereit hält, bei meinem im niedrigen Dreistelligen liegenden Kampfgewicht aber für die erste Sportverletzung sorgen. Meine Fresse. Der Nervenkitzel beginnt früh heute. Auch die anderen Kinderrutschen sorgen eher für Schmerzen und Verwundungen. Der Schlachtplan lautet natürlich alle Rutschen einmal zu testen um Favoriten zum exzessiven Berutschen frühzeitig zu finden und mögliche Rohrkrepierer links liegen zu lassen.

Frach mich nicht wie se hießen, aber nach langem und verheißungsvollem Aufstieg entern wir die ersten Rutschen. Die Erste: Ohne Reifen, dafür steil. Und schnell. Und dunkel. OKer Anfang aber nichts Besonderes. Da ich etwas an Rücken leide (alter Mann) kommen abrupte Richtungswechsel im Dunkeln auch nicht so gut bei mir. Die Zweite ebenfalls ohne Reifen und etwas gemächlicher, mit sanften, weiten Kurven. Auch OK. Wir fachsimpeln über Beschleunigungstechniken. Und wechseln den Turm.

Hier neben zwei Reifenrutschen (find ich ja super) das angekündigte und beworbene Highlight des Bades. Der HURRICANE-LOOP. Da waren die Namensgeber*innen in Köln aber besser. Ein Freefall, ca 10 m nach unten mit Fallklappe, danach 2 Loopings. Thats the way aha, aha we like it. Darum sind wir hier und das wollen wir jetzt machen. Absperrband reißt uns jäh aus unseren Träumen. Ich schmiede schon hasserfüllt Pläne wie ich (mindestens) mein Geld zurück bekomme und den fetten Bademeister in Kinderpisse ertränke, da hat Low in seiner gewohnt diplomatischen (…) Art schon herausgefunden dass dort nur Schichtwechsel des Aufsichtspersonals ist. Glück gehabt Mirarmar, GLÜCK GEHABT!

Die Reifenrutschen entpuppen sich als angenehm unterhaltsam. Nummer eins plätschert gemächlich durch wechselnde Farbröhren gen Tal, versteht mich nicht falsch, ich mag´s auch mal ruhig, ich find das gut. Witzig wird’s wenn man die Ampel ignoriert und in schneller Abfolge rutscht. Lows Lachen wechselt von amüsiert zu besorgt-panisch als ich heiser frohlockend immer näher komme. Plötzlich sitzt ein kleiner Junge in der Röhre und gibt mir ein High5, niederschmetternd wird mir klar wie wenig cool ich bin.

In der zweiten Reifenröhre fallen dem geneigten Experten bauliche Ähnlichkeiten und Unterschiede zu Köln auf. Ist der Trichter ohne Reifen in der Domstadt noch eher lahm, wird da auf einem Reifen ein anderer Schnack draus. Mit gut Speed springe ich in den Trichter, ein erstes Jauchzen entfährt mir, dann im Kreis und ins Loch, dunkel geht’s bergab. Gebremst werde ich von einer Boomerang-Rampe, die wiederum gegenüber ihrem Kölner Pendant gehörig abstinkt. Dennoch: das Spaßlevel ist hoch! Wir haben Bock und lachen verächtlich über den Rest der Bande, die in irgendeinem Yuppiecafe veganen Kuchen essen. Billiger ist das auch nicht.

Schließlich und für die Dramaturgie im Ablauf etwas verfälsch dargestellt: Der Freefall. Es geht hoch, ziemlich weit hoch. Thank god, it's tuesday! Nix los hier! Leider entgehen uns dadurch natürlich auch einige Tattoohighlights. Sieger bleibt heute der dicke Mann mit dem altenglischen METAL-Schriftzug über dem Bauch und dem Flügelpaar auf der Brust. Ja, auf der Brust. Daumen hoch.
Oben angekommen schaut der Operator kurz auf mich, kurz auf die bereitstehende Waage und lässt mich dann ohne die entwürdigende Prozedur zum Rutschen zu. Er erklärt freundlich aber bestimmt was zu tun und was zu lassen sei. Aufgrund der vor mir aufragenden, recht imposanten Konstruktion inklusive Blick auf den winzigen vor dem Bad geparkten Tourbus würden mir Widerworte nicht im Schlaf einfallen. Low geht vor, die gelbe Röhre schließt sich, der nette Mann schaut auf seine Monitore, ein Countdown ertönt und weg isser. Schon beeindruckend. Scheint schnell zu sein. Tatsächlich bin ich jetzt aufgeregt, so was will ich, so was wird mir diskriminierender Weise bei geilen Achterbahnen aufgrund meiner unerheblich abnormen Körpergröße verwehrt.

Ich steige in die Luke, 3...2..1 und der Boden öffnet sich. ALTER. Geil ist das. Und sauschnell. Aber nicht unangenehm. Wie auf Schienen pflüge ich durchs Wasse. Der erste Looping - eigentlich ändert sich nur die Richtung. Ich werde langsamer, denke es ist vorbei, aber nein, das war nur der Scheitelpunkt der Kurve. Der nächste Looping. Bremsbecken. Fertig. Lachend steht Low am Austritt und wir sind uns einig - das ist es. Das wollen wir und das holen wir uns an diesem Tag noch einige Male ab.


Facts: 1.  Es ist geiler wenn man schreit. 2. Wenn der Countdown ausgelassen wird weil der Bademeister einen ärgern will kommt der Fall sehr überraschend. 3. Eventuell wurden uns dadurch viele kommende Rutschen vermiest. Was soll da noch kommen? Google offenbart Parks in Dubai und Japan und eine Röhrenrutsche auf einem Kreuzfahrtschiff. Na gut.

Beim erneuten Aufstieg fragt mich ein kleiner Junge, wie ich es fand und ich antworte ehrlich: „Geil. Aber ich hatte Angst“. Mit großen Augen schaut er mir hinterher während ich mich ein weiteres Mal in die Tiefe stürze. Endlich wieder cool.

Und so kommt es unerwartet: Wir haben noch dicke Zeit, bezahlt für weitere Stunden, der Soundcheck in Mannheim noch komfortabel entfernt, doch wir sind so randvoll mit Spaß, dass wir grinsend den Heimweg antreten. Sogar ohne die Schwimmbadklassiker Pommes-Majo-Chlor zu testen. 

Fazit: Ich spreche hiermit eine uneingeschränkte Empfehlung aus. Grade für im JUZ Mannheim einkehrende Reisegruppen einen Abstecher wert.

Unterhaltungsfaktor: 9 von 10
Kategorie: Low Life
Eintritt: 14,50 für 4 Stunden

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